2001-2003: Triebwagen 204

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In den Jahren 2001 bis 2003 hat der Triebwagen 204 dank über 4000 ehrenamtlichen Arbeitsstunden unserer Vereinsmitglieder wieder das Aussehen des Jahres 1904 erhalten und ist ältester zugelassener Straßenbahnoldtimer Nürnbergs.

Tapetenwechsel nach 99 Jahren

Am 01.09.2001 wurde mit dem in unserer Vereinsgeschichte damals umfangreichsten Projekt begonnen, der Restaurierung des Wagens 204, Baujahr 1904. Es wurden insgesamt rund 4000 Stunden ehrenamtliche Arbeitsleistung vollbracht, wobei sehr viele Arbeiten von Mitarbeitern der VAG in deren Freizeit durchgeführt wurden, die z. T. nicht Vereinsmitglieder der Straßenbahnfreunde sind. Somit ist das Projekt eine sehr bemerkenswerte und vielleicht auch einzigartige Arbeit von Straßenbahnfreunden und Freiwilligen der VAG. Gut zwei Jahre lang wurde fast jedes Wochenende geopfert, um aus dem Wrack wieder einen schönen Straßenbahnoldtimer werden zu lassen. Doch beginnen wir am Anfang, am 01.09.2001.

Geschichte des Triebwagens 204

Der Wagen 204 hatte eine sehr wechselvolle Geschichte. 1904 als sehr richtungsweisende Triebwagentype von der 1903 in städtische Hand übergegangenen Nürnberg-Fürther Straßenbahn bei der MAN beschafft, wurde der Wagen 1937 in einen Schleifwagen umgebaut. In diesem Zusammenhang entfernte man die Schienenbremsen und die komplette Inneneinrichtung. An deren Stelle traten vier ausladende Wasserkästen und eine Schleifeinrichtung, die aus Kompressoren und anderem Equipment bestand. Der Wagen war bis zu seiner Außerdienststellung im Jahr 1975 auf dem Gleisnetz der Straßenbahn unterwegs, wobei er 1985 in den Bestand der historischen Straßenbahnwagen aufgenommen wurde. Der Rest der ca. vierzig Wagen umfassenden Bauserie wurde durch Kriegsereignisse über ganz Europa verstreut, es kamen Wagen nach Kattowitz, Graz und über Umwege sogar nach München - keiner dieser Wagen hat überlebt. Der Wagen 204 ist somit der letzte Vertreter seiner Gattung und ergänzt die fast vollständige Sammlung der historischen Straßenbahnwagen in Nürnberg.
Bedingt durch den langjährigen Einsatz als Schleiffahrzeug war der Wagen in einem sehr schlechten Zustand. Dies lag vor allem daran, dass die Wasserkästen mit einem Feuerwehrschlauch befüllt wurden und dadurch sehr viel Wasser in den hölzernen Wagenaufbau gelangte, was zur Folge hatte, dass tragende Teile des Wagens vermoderten und verrosteten. 1995 beschäftigte sich der Verein erstmalig damit, den Wagen für ein neues Museumskonzept des Hist. Straßenbahndepots St. Peter nicht fahrfähig in einen optisch schöneren Zustand zu versetzen. Leider waren die Arbeiten durch Fehlen von entsprechenden Anlagen und Werkzeugen nicht von Erfolg gekrönt. So entschloss man sich, den Wagen zu einem späteren Zeitpunkt in der Straßenbahnhauptwerkstatt Muggenhof zu restaurieren. Das Ziel war nun nicht mehr nur eine optische Verschönerung, sondern den Wagen wieder voll betriebsfähig herzurichten.

Der Beginn der Restaurierung

Nun begannen fünf engagierte Vereinskameraden mit der Restaurierung des Wagens. Am Anfang wurde der Wagen vom Fahrgestell getrennt und stückweise abgebrochen. Von den ursprünglichen Planungen, nur die notwendigsten Arbeiten durchzuführen, mussten wir schnell Abschied nehmen; zu schlecht war der Zustand. So waren unter anderem faustgroße Rostlöcher in den tragenden Teilen der Untergestellkonstruktion zu beklagen.
Verschiedene Längsträger unterhalb des Fußbodens waren wie ein Blätterteig aufgeblüht, so mußten diese durch neue Stahlteile ergänzt werden. Insgesamt wurde eine erhebliche Zeit mit wenig attraktiven Arbeiten in der Hauptwerkstatt verbracht.
Vorteilhaft war es, dass von jeder Berufsgruppe, Mechaniker, Schreiner, Lackierer und Elektriker, ein Mitarbeiter vertreten war. In vielen Stunden entstanden in der Schreinerei Langwasser Fußbodendielen, Leisten und Fensterrahmen, alle aus massivem Eichenholz. Es wurde gefräst, gehobelt, gezapft, geklebt und geschliffen.
Da die Arbeiten, bedingt durch den schlechten Zustand des Wagens, immer umfangreicher wurden, konnte der Verein durch die seit langen Jahren angesparten Spendengelder einen privaten Schreiner beauftragen, der die Innenbänke und Eckpfosten sowie Fenstersprossen für den Wagen fertigte. Die Sparkasse Nürnberg unterstützte den Verein durch eine Spende ihres Kulturfonds.
Nachdem der hölzerne Aufbau, die Plattformen und der Fahrgastraum schrittweise abgebaut waren, ruhte das Wagendach lediglich auf ein paar wenigen Holzstützen auf dem Untergestell. Nacheinander wurden die von der Schreinerei angefertigten Teile eingepasst und der Wagenkasten originalgetreu wieder aufgebaut. Der Wagen ist in der sogenannten Holzbauweise erstellt, so sind alle tragenden Teile des Wagens aus massiven Eichenholzträgern und Leisten zusammengebaut.
Nach und nach nahm der Wagen wieder Gestalt an. Alle maroden Teile waren ersetzt. Nun wurde das Wagendach überholt, das in einem verhältnismäßig guten Zustand war. Nun konnten die überholten Widerstände eingebaut werden und das Dach auf der vom Fahrgastinnenraum sichtbaren Seite abgeschliffen werden. Der Wagen war in den 50er-Jahren mit einer braunen Farbe "verziert" worden, diese musste mühsam und nur durch Handarbeit entfernt werden. Alsbald wurden die Holzteile mit einer passenden Beize gestrichen und mit Klarlack versiegelt. Anschließend wurde wieder eine glänzende, weiße Innendecke eingeschraubt, nachdem vorher die Leitungen für die Deckenlüster verlegt worden waren.

Rundumüberholung des Fahrgestells nach 99 Jahren

Parallel zu den Arbeiten am Wagenkasten musste auch das Fahrgestell komplett überholt werden. Dank der in der Hauptwerkstatt vorhandenen Stahlstrahlanlage wurde das demontierte Fahrgestell völlig entrostet, auch hier zeigten sich faustgroße Löcher in den Knotenblechen, die alle durch geprüftes Schweißpersonal verschlossen werden mussten. Sämtliche Drehverbindungen des Handbremsgestänges wurden mit Messingbüchsen ausgerüstet, um die Leichtgängigkeit der Bremse sicherzustellen. Die Halter der Schleifeinrichtung wurden herausgetrennt und neue für die Schienenbremsaufhängung eingeschweißt.
Die Räder wurden wie die beiden Fahrmotoren in der U-Bahnwerkstatt überholt. Zwar waren die elektrischen Spulen im Fahrmotor einwandfrei und ohne Beanstandung, aber die Gleitlager aus Bleiguß des drehenden Läufers hatten ein zu großes Spiel und waren zu überarbeiten. Dies war ein großes Problem, da bisher keiner der jungen Mitarbeiter in den Werkstätten ein solches Gleitlager instandgesetzt hat. Die Lagerschalen zu gießen ist in Muggenhof möglich gewesen, jedoch das Wissen über das anschließende händische Schaben der Lager war mit den früheren Mitarbeitern in Rente gegangen. Am Tag der offenen Tür besuchte ein früherer Mitarbeiter die Motorenwerkstatt und zeigte den Mitarbeitern, wie es geht. Die sorgfältige Ausführung dieser Arbeiten ist besonders wichtig, da bei falschen Tragbildern die Lager heiß laufen und die Bleilegierung aus den Lagern schmilzt und herausfließt.
Glücklicherweise konnten auch die Radreifen im eigenen Haus überholt werden, ein Teil der U-Bahnwagen hat ebenfalls derartige Räder. Dabei handelt es sich um aufgeschrumpfte Radreifen, d. h. der Radreifenring wird erhitzt und über den kalten Radkörper geschoben, die Schrumpfung durch Abkühlung führt zur festen Verbindung der beiden Teile, um alle Brems- und Fahrkräfte sicher auf die Schienen zu übertragen.
Nachdem alle Komponenten in die Hauptwerkstatt Muggenhof zurückgekommen waren, wurde das Fahrwerk wieder montiert. Im Juni 2002 wurde der Wagen erstmals auf sein Fahrgestell aufgesetzt, um neue Stromkabel für die Bahnspannung und die Nebenverbraucher zu einzuziehen. Insgesamt wurden ca. 1000 m Kabel verlegt, eine schwierige Aufgabe, wenn man bedenkt, dass manche Kabel daumendick und sehr schwer sind. Außerdem sind teilweise 15 bis 20 Leitungen parallel verlegt, um die einzelnen Fahrstufen des Fahrschalters auf die Fahrmotoren zu übertragen. Auch hier brauchte es handgefertigte Hölzer für die Befestigung der Kabel. Jedes Blech und jedes metallische Profil, welches nicht mit dem Untergestell elektrisch verbunden ist, musste mit Kabeln geerdet werden. Dies verhindert bei Isolationsfehlern der Kabel eine gefährliche Berührspannung für Personen.
An den Fahrschaltern gestaltete sich die Verlegung der Kabel schwierig, der Platz ist gering und die Bewegungsmöglichkeiten der menschlichen Hände sind beschränkt. Oft konnte nur durch die runde Scheinwerferöffnung blind gearbeitet werden. Danach wurden Kabel für die Beleuchtungseinrichtung und die Ansteuerung der Schienenbremsen eingebaut.
Nachdem die Verkabelungsarbeiten immerhin ca. ein halbes Jahr in Anspruch genommen hatten, konnte nach deren Abschluss die Überprüfung der elektrischen Anlage erfolgen. Hier wird die Isolation der verlegten Kabel geprüft und Widerstandswerte mit den erforderlichen der einzelnen Fahr- und Bremsstufen verglichen. Die Werte stimmten mit den Vorgaben überein und es konnte an eine Probefahrt gedacht werden.

Zweite Jungfernfahrt mit knapp 99 Jahren

Am 04.12.2002 setzte sich der Wagen nach fast dreißig Jahren wieder aus eigener Kraft in Bewegung, die erste Probefahrt mit dem noch unlackierten Fahrzeug wurde im Hof der Hauptwerkstätte absolviert. Das ruhige Fahrverhalten, für das die Nürnberger Straßenbahn seinerzeit überall bekannt war, kann auch an diesem Wagen beobachtet werden.
Ungefähr drei Monate dauerten die Lackierarbeiten an. Der Wagen wurde zunächst grob gespachtelt, geschliffen, grundiert und abermals geschliffen, danach erhielt er nach vielen hundert Arbeitsstunden die grün-beige Farbgebung der Nürnberg-Fürther Straßenbahn. Die Lackierung des Wagens ist die des Auslieferungsjahres 1904 und der Epoche entsprechend aufwendig, die Jugendstilornamente und -Linien wurden abgeklebt und lackiert. Aber auch im Wageninnern befinden sich Verzierungen. Sämtliche Ornamente am Wagen wurden am PC konstruiert und von einem Folienplotter ausgeschnitten und anschließend lackiert. An der Außenhaut fehlten jetzt nur noch die handgemalten Wappen der Städte Nürnberg und Fürth, die ein Rentner der VAG von Hand malte.

Insgesamt wurden an dem Wagen 4000 freiwillige Arbeitsstunden geleistet, das sind immerhin 2,6 Mannjahre. Hätte die VAG die Arbeiten durchgeführt, so wären stolze 312.000 EURO an Kosten zu verbuchen gewesen; ein Betrag, der in der heutigen wirtschaftlichen Lage für ein solches Projekt nicht zu verantworten wäre. Dank der lebendigen Kooperation der VAG mit unserem Verein wurde durch den persönlichen Einsatz der Vereinsmitglieder, der damaligen und ehemaligen Mitarbeiter der VAG mit Unterstützung durch Spendengelder das Projekt möglich gemacht!

Technische Daten des Triebwagens 204:

Reihe:   202 - 205
Hersteller:   MAN Nürnberg / SSW Nürnberg
Baujahr:   1904
Ausmusterung:   1937 (anschl. Schienenschleifwagen bis 1975)
Achsfolge:   2
Länge:   8.960 mm
Breite:   2.800 mm
Leergewicht:   8.600 kg
Sitz- / Stehplätze:   18 / 12
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